Das Original
Das
Originale finden meint rechtverstanden, das Wunder der Einen Gegenwart
in jeder Gestalt sehen können. Der Ursprung, Origo, zeigt viele
Verzweigungen und west in ihnen. Wer aber die Vielheit nicht anerkennt,
wie will der den Ursprung erkennen? Wer die Äußerlichkeit an
irgendeinem Punkt herausgreift und als isolierbaren Wert für sich
verewigen will, schafft Beliebigkeit!
Es gibt keine Isolierbarkeit von Werten, es gibt keine Duplizierbarkeit
einer "wahren Gestalt". Zwei Dinge mögen der äußeren Erscheinung nach
fast gleich sein und doch ein kleiner, kaum sichtbarer Unterschied
authentiziert den einen und verwirft den anderen: sie sind nicht
dasselbe. Von zwei genauen Abgüssen einer Form kann der Eine ein
vollendetes Werk und der Andere ein gerade neben dem Gelungenen
gelegenes Mißlingen sein. Dies gibt scheinbar jenem Mythos vom
"Original" das Recht, aber der Ausgang ist ein völlig anderer: das
gerade Mißlungene bedarf oft nur einer minutiösen Veränderung (in
Richtung auf das ihm bereits innewohnende Wesen), das sei eine Politur,
eine kleine Linie......und es wird eine Reinheit spiegeln, wie sein
Schwesterabguß. Und noch mehr, es wird nun denselben Geist ausstrahlen,
wie das Schwesterwerk, obwohl es jetzt der Form nach modifiziert ist.
Beide sind nun "der Inneren Form nach" authentisch in sich und man
vermag zweimal Dasselbe oder das Gleiche (dies ist nun plötzlich ohne
Bedeutung) zu sehen ohne daß es dem kritischen und suchenden Geist
langweilig erscheint. Nur der Materialist, dem sein fehlgeleiteter
Glaube jede innere Quelle verschließt, wird messen und unbefriedigt
sein. Und für diese schreibe ich das Folgende:
Die Dinge sind in
sich immer Dasselbe, nur um so zu erscheinen bedarf jedes einer anderen
Form. So gibt es sehr wohl eine gültige Vielfalt, nur der einfältige
Blick meint, von dem Vielen könne nur Eines gültig sein. Der Versuch
das! Original zu erwerben entspricht auf geistiger Ebene dem Glauben an
limitierte Wahrheit.
P.F., 1997
"Alle freuen sich, darin
an der Ähnlichkeit teilzuhaben; wenn aus dem Ei ein Küken entschlüpft,
dann schwindet zwar die Einzigkeit des Eies, aber nicht die Einzigkeit
selbst; denn das Küken ist genauso einzig wie das Ei, beide sind von
der gleichen Art der Einzigkeit, denn es gibt nur einen Grund alles
Einzelnen, der alles vereinzelt. Dieser ist weder das Ganze noch ein
Teil noch eine Eigengestalt noch ein Individuum, weder dieses oder
jenes oder irgendetwas Nennbares, sondern der einzigste Grund alles
Einzigen."
Nicolaus Cusanus, De venatione sapientiae