Restauration – Synopsis - gesellschaftlicher Körper
,- Anstöße zur Lektüre
Liebe Interessierte, eine kurze Vorbemerkung:
Wozu ein solch enigmatischer Titel? Mir, das sei vorweggenommen,
erscheint er sehr beredt und offen. Es geht darum, menschliche
Gemeinschaft allgemein und politische Gesellschaft im Besonderen neu zu
begründen, bzw. verschüttete Fundamente neu auszugraben.Es geht darum auf die Anfragen dieser Zeit und dieses Landes irgendeine gültige Antwort zu geben, die eine Zukunft ermöglicht.
Ich habe dazu aus der („zufällig“ zusammenfallenden ) Lektüre dreier
bekannter Werke einige Zitate als Denkanstöße (für andere und für mich)
zusammengestellt. Es sind dies: Rousseaus Gesellschaftsvertrag, Huxleys
negative Utopie einer „Neuen Welt“ (die 1931 vor dem 2. Weltkrieg
geschrieben wurde und die wir unerfreulicher Weise im Denken heute
schon wieder überholen, wie an Aktionen wie „Bildungsplan 2015“ der
Grünen ablesbar ) und ein sehr luzides kleines Büchlein von Byung Chul
Han, Agonie des Eros.
Alle beschäftigen sich im Wesentlichen mit den Werten oder Anti-Werten einer menschlichen Gemeinschaft.
Die Zitate sind nur inkomplett, Zitate aus Huxleys Neuer Welt sind
eigentlich überflüssig (nicht zuletzt weil es ein Büchlein ist, das
JEDER heute gelesen haben sollte). Dies ist zum Teil meiner Faulheit,
aber zum wesentlicheren Teil der Sorge zu verdanken, dass Zitate das
Denken verstopfen könnten.
Gastronomisch gesprochen ist dies hier ein Aperitif- mit Willen zur Hauptmahlzeit!
"Die Menschen werden als Freie geboren und dennoch findet man sie
als Sklaven zu Hauf", Rousseau, Gesellschaftsvertrag, Anaconda
2012, S.11-12
"Die Worte >Sklave< und >Recht< stehen im Widerspruche; sie heben sich gegenseitig auf", (ebd. 25)
Es gibt kein RECHT DES STÄRKEREN. „Stärke ist ein physisches
Vermögen... Der Stärke nachgeben ist eine Handlung der Notwendigkeit,
nicht des Willens... In welchem Sinne kann es (also, PF) eine Pflicht
werden?“ (ebd.14)
Anm., PF: Folge daraus ist, dass der SozialDarwinismus eben kein
ethisches Konzept zu bieten hat und keinerlei Erklärung von
menschlicher Wirklichkeit bietet.
„ Das Recht kann nie auf Irrsinn, sondern immer nur auf Vernunft und Freiheit gründen“. (ebd.17)
„...Menschen... von Natur nicht Feinde.“ (ebd.18-19)
„Der Gral wurde als der Kelch verstanden, den Jesus Christus beim
letzten Abendmahl mit seinen Jüngern benutzt (hat)...“ Wiki, Der
heilige Gral
„Dieses wunderkräftige und heilige Gefäß, das ewige Lebenskraft
spendet, ist umgeben von einer Gemeinschaft, die unter einem Mangel
leidet.“ , ebd.
„Der Neoliberalismus betreibt eine generelle Entpolitisierung der
Gesellschaft, indem er nicht zuletzt den Eros durch Sexualität und
Pornographie ersetzt“ Byung Chul Han, Agonie des Eros,
Matthes&Seitz 2012, 56
Die heutige Krise resultiert v.a. aus einer Errosion/ Aufhebung des Anderen, vgl. B.Ch.Han, ebd., 5
Dies dient dem totalen Konsum. „So ist die Konsumgesellschaft bestrebt,
die atopische Andersheit zugunsten konsumierbarer...Differenzen zu
beseitigen.“, ebd., 6
Eine der Folgen, die aus der Aufhebung des Anderen und der
Übersteigerung des Ich resultieren, ist die Depression. „Depression ist
eine narzisstische Erkrankung. … der überspannte, krankhafte
übersteuerte Selbstbezug.“, ebd., 7
„Eros und Depression sind einander entgegengesetzt. Der Eros reißt das Subjekt aus sich heraus auf den Anderen hin.“, ebd, 7
Desaster Un-Stern
Der Tod als „Öffnung“ zum Anderen hin. vgl. B.C.Han ebd., 10
„ Die Atopie des Anderen erweisst sich als Utopie des Eros“, ebd., 10
Leistungsgesellschaft- „Der Ruf nach Motivation, Initiative und Projekt
ist wirksamer für die Ausbeutung (des Selbst, PF) als Peitsche und
Befehle. Als Unternehmer seiner selbst...beutet (es) sich selbst aus,
und zwar aus freien Stücken.“ B.C.Han, ebd, 15
„Du kannst übt sogar mehr Zwang aus als Du sollts. Der Selbstzwang ist
fataler als der Fremdzwang, weil kein Widerstand gegen sich selbst
möglich ist. Das neoliberale Regime verbirgt seine Zwangsstruktur
hinter der scheinbaren Freiheit des einzelnen Individuums... Wer
scheitert ist außerdem selbst schuld …“, ebd., 16/17
„...dass der Kapitalismus entgegen der weit verbreiteten
Annahme...keine Religion ist, denn jede Religion operiert mit Schuld
und Entschuldugn. Der Kapitalismus ist nur verschuldend. Er verfügt
über keine Möglichkeit der Sühne...“, ebd. , 17
„Die Liebe positivisiert sich heute zur Sexualität, die ebenfalls dem
Leistungsdiktat unterworfen ist. Sex ist Leistung. Und Sexyness ist
Kapital...Der Körper ...gleicht einer Ware. … Es gibt keine sexuelle
Persönlichkeit.“, ebd., 19
„Die vom Können beherrschte Leisitungsgesellschaft, in der alles
möglich, alles Initiative und Projekt ist, hat keinen Zugang zur Liebe
als Verletzung und Passion.“ ebd., 21
„... sind nur Dinge zugelassen, die konsumierbar sind. Selbst der Schmerz soll genießbar sein.“ ebd., 22
Damit offenbart sich das kleinbürgerlich materialistische
Verwertungsdenken dieser votgeblichen Freizügigkeit und des gespielten
Exzesses der Sexualitisierten.
„Die verfügbare Gegenwart ist die Zeitlichkeit des Gleichen.“ ebd., 22
„...die Zukunft … positiviert sich zur optimierten Gegenwart,... . Und
die Musealisierung des Gewesenen vernitchtet die Vergangenheit.“ ,
ebd., 23
„Der Augenblick weicht dem Klick.“, ebd., 23
„Der Kapitalismus eliminiert überall die Andersheit, um alles der Konsumtion zu unterwerfen.“, ebd., 25
Kunst kommt von Kultus vgl. B.Ch.Han, Agonie des Eros
und man muss hinzufügen, dass es nirgendwo so viele Zyniker und Ungläubige gibt wie unter den Theologen und Künstlern.
Eine gerechte Strafe des Narzissmus, ist die Verzweiflung an sich selbst (vgl. B.Ch.Han, Transparenzgesellschaft...Anm.)
Sexpflicht für Kleinkinder (Huxley, Aldous, brave new world, 1931,
deutsch von Uda Strätling, Fischer 2013, ebook Version S.28-29)-
heutige Parallele b.d.Grünen: Bildungsplan 2015,
Lunaceck-Kommissionsbericht der EU
„Sozialprädestinationsstation...Embryonen sind wie fotografischer Film“, ebd.12
Die Industrielle Fertigung von Menschen nach dem Vorbild des T-Modells von Ford, vgl. ebd.24ff
Ziel ist der maximale Konsum, Kreativität ist ein Feind des Konsums und wird daher abgestellt. vgl. ebd.28
„... verpflichtet, soundso viel im Jahr zu konsumieren. Im Interesse der Industrie.“, ebd.41
Wahrheit ist relativ. „Zweiundsechzigtausendvierhundert Wiederholungen ergaben eine Wahrheit.“, ebd.40
„Regieren ist eine Frage des Sitzfleisches nicht des Handstreichs, man
regiert mit Hirn und Hintern... Ein Beispiel ist der verordnete
Konsum.“, ebd. 41
Einsatz von einer Pflicht zur Promiskuität zur Vermeidung echter Liebe,
die System-sprengend wäre. Jede Stetigkeit wäre Tiefgang, jede Liebe
Sprengstoff. Schlichter Sex aber macht System-konform. vgl. ebd.37
angeführte Literatur:
Byung Chul Han, Agonie des Eros, Matthes&Seitz 2012
Huxley, Aldous, brave new world, 1931, deutsch von Uda Strätling, Fischer 2013, ebook Version
Rousseau, Jean-Jaques, Der Gesellschaftsvertrag, Anaconda 2012
Adnex:
Altwerden und Propaganda
Das Dumme am Älterwerden in einer verdummenden Gesellschaft liegt in
der Anpassung an die Streitfragen, mit denen man sich auseinandersetzen
muss.
Als junger Mensch, sucht man und meint, nachdem man dieses oder jenes
Zentrale begriffen hat, dass die anderen nur so aggressiv
widersprechen, weil sie es noch nicht verstanden haben, oder weil es
halt verschiedene Sichten gibt. Je älter man wird und desto
häufiger die gesellschaftlichen Brennpunkte gewechselt haben und
man selbst mit der eigenen Fokussierung, desto mehr merkt man, dass die
meisten Menschen nicht suchen, sondern immer nur das finden, was man
ihnen vorsetzt. Natürlich wissen alle, dass das so nicht funktioniert
und dass es sich faktisch um geistigen Missbrauch handelt, dem der
Einzelne auch noch selbst assistiert.
Begreift man das Ausmaß allgemeiner Ferngesteuertheit, so kommen große
Zweifel, ob die Abarbeitung an den „Fragen“ der Gesellschaft nicht zu
mehr Verblödung als zur Erhellung beiträgt. Und dann entsteht auch die
Berechtigung, die Gesellschaft erst auf ihre eigentlichen Fragen
hinzustoßen.
Gibt es Nicht-Glauben?
Es gibt Menschen, und in unserer Zeit sind es die Meisten, die meinen,
es wäre ein hervorragendes Zeichen wachen Intellektes und von
Selbstständigkeit, wenn sie Gott und Religion überhaupt dogmatisch
leugneten.
Ob sie damit richtig liegen, darf bezweifelt werden. (Und zwar irren
sie in mehreren Punkten: bzgl. ihres Intellektes, bzgl. des
Transzendenten und damit bzgl. ihres Realitätskonzeptes. >Irren<
ist kein Vergehen, solange man es nicht dogmatisch tut. Sie aber irren
dogmatisch und tragen mit ihrem Realitätskonzept auch die Wahrheit ab.
Der Preis des Nicht-Glaubens ist, dass keine Wahrheit mehr möglich ist.
Philosophisch gibt es 2 Modelle von Wahrheit: a) Wahrheit als
Entsprechung der Behauptung zur Tatsache. Dieser Begriff erscheint
evident. Nur, wie will man Tatsachen bestimmen, ohne Wahrheit? Wahrheit
ist hier also etwas, das bereits anwesend ist, damit erscheint die
Definition untauglich, weil im Zirkelschluss keine Abgrenzung, also
keine Begriffsbildung möglich ist.
b) Wahrheit als Konsistenz der Aussage, Wahrheit als Aussagbarkeit.
Hier stellt sich die Frage, was Wahrheit als Erkenntnis über die Welt,
-das Dasein-, nutzt, wenn der Kontakt zur Welt im Begriff gestrichen
wird.
Beide Ansätze neigen in unserer Zeit zu einer Leugnung des Daseins von
Wahrheit. Dieser relativistische Ansatz verschließt aber jeden
intellektuellen Zugang zur Realität.
Eine mögliche Konsequenz aus dem Gesagten wäre, dass man Wahrheit als
etwas begreift, das wir voraussetzen und praktizieren müssen und
können, das aber nicht wie ein praktisches Ding gehandelt- also nicht
„gehabt“ werden kann. Wir setzen Wahrheit als Grund von Wirklichkeit
und als Grund von Erkennbarkeit dieser Wirklichkeit, aber als zu
Suchende und nie in Gänze Erfassbare. Wahrheit wäre damit ein
Leitkonzept.
Nach Wahrheit suchen, wahr sein, aber nie Wahrheit haben- das wäre die Essenz des Gesagten!
Ich behaupte, dass es NIEMANDEN GIBT, DER NICHT GLAUBT. Es geht
letztlich nur um die Tragfähigkeit des Gehaltes. Und es erscheint
weitaus öffnender, an einen Gott mit allen Corollarien als an
Wirtschaftswachstum , den Weihnachtsmann, die Unversehrtheit des
Autolackes, Schönheit u.Reichtum etc. und sonstige Surrogate ewigen
Lebens ... zu glauben.
Denn letztlich meint Glauben ein Wissen, dass sich die Dinge dieser
Welt nicht in sich selbst festmachen, sondern all dies hier fließt und
vergänglich ist (inklusive Wohlstand, Autolack, Schönheit).
Wer sich im Transzendenten an Weltdingen festmachen will, ist ein Narr, der die Wirklichkeit verfehlt.
Und ja: Tasten Sie einmal die nichtreligiösen Konzepte auf ihr Realitätskonzept ab. Das Ergebnis wird ernüchtern!
Patrick Feldmann, Sommer 2014
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Wie verletztlich ist der Mensch, er ist nicht Herr über sich selbst und versucht er Herr über sich
und andere zu werden, wird er zum Missbräuchler.
Wir reden von uns als wäre unser Ich substanziell wirklich unzerstörbar. Das ist es nicht. Und
das ist mehr als eine Kränkung, denn alles was sich auf dieses Ich gründet, steht auf Sand.
Wenn ich dennoch sage, dass jeder von uns ein Selbst hat, so denke ich, dass das wahr ist.
Aber dieses Selbst kann nicht unser Ich sein, nicht ein überIch oder
ein unterIch. Der Mensch hat eine unsterbliche Seele. Das heißt dann
aber auch, dass alles, was ihn im Letzten ausmacht, ihm nie verfügbar
ist. Jeder kann seiner Seele abträglich sein oder ihr förderlich, aber
niemand macht seine Seele. Ihr könnt Euer Glück in der Welt machen und
einen schönen Stuhl ergattern. Ihr könnt moralischer leben als der
Rest. Das alles öffnet nicht unbedingt den Zugang zur Seele.
Wie lächerlich und jeder Notdurft nahe ist „Karriere“, „Erfolg“,
„Ansehen“: all dieses Vergleichen und Abmessen. Das Heilsame an
der Seele ist ihre Unermesslichkeit, sie ist die Entsprechung einer
Allesüberschreitung, die in uns angelegt ist. Im Kern ist der
Mensch der, der transzendiert: sich, die abgeschlossene Logik der
verständlichen Welt, alles Erfahrbare... .
Dieser Überschreiter ist kein Übermensch, er ist Mensch! Er erhebt sich
nicht über Andere oder über sich selbst, sondern er kann loslassen und
gehen. Er erhebt sich nicht über die Welt, sondern er ist verletztlich.
Verletztlich wie jedes Blatt im Herbst, wie jedes Wasser, das man
ausgiesst. Er steht nicht über der Welt, die ihn nährt, sondern er muss
trinken, essen, lieben. Und dennoch wird vermutlich alles dies erst
jenseits eines festen Ich wirklich. (1.8.14)